24.07.2021 - Tag 1

Anreise in das Katastrophengebiet am Sa. 24.07.2021 ab 18:30 von Gettorf. In Gettorf wurde unser Gerätewagen Nachschub ( GWN ) mit unseren Sachen beladen, und wird als „Lastesel“ während der Verlegung für den Materialtransport zur Verfügung stehen. Die benötigten Feuerwehr-Fahrzeuge sind mit dem ersten Team schon knapp eine Woche vor Ort. Für unser LF20 KatS ist dieser Einsatz die „Generalprobe“, denn wir besitzen das Fahrzeug wie alle anderen Feuerwehren im Kreis erst seit Corona. Die Kameraden werden dann ab Rendsburg mit Reisebussen verlegt. Die abgelösten Kameraden werden den GWN dann als Lastesel wieder mit in den Norden nehmen.

Für den Katastrophenschutz der Feuerwehren in Schleswig-Holstein kommen im Groben 3 verschiedene Fahrzeuge der Feuerwehr zum Einsatz:
MZF = Mehrzweckfahrzeug (VW-Bus) 2-4 Pers. (Fahrer, Melder, Zugführer & stv. Zugführer)
LF20 = Löschfahrzeug (mit 1200 l Wasser)  9 Pers. (Gruppenführer & 8* Mannschaft)
RW1 = Rüstwagen (technische Hilfeleistung)  3 Pers. (Gruppenführer & 2* Mannschaft)
Ein Zug besteht vor Ort dann meist aus  1* MZF, 2* LF20 & 2* RW (verstärkt z.B. durch RTW mit 2 Personen oder anderen Einheiten). Wir aus dem Kreis RD-ECK. sind mit 4 Zügen unterwegs (64 Einsatzkräfte). Zusätzlich gibt es dann noch den FüKW = Führungs-Kommandowagen (bestehend aus der Einsatzleitung / Führung), diese können je nach Lage nochmals mehrere Personen sein.

Die anderen Hilfsorganisationen wie ASB, BW, DLRG, DRK, JUH, MHD, Polizei, THW befinden sich auch vor Ort und werden ggf. mit eingesetzt. Von Gettorf ging es nach Büdelsdorf, dort trafen wir uns mit den Kameraden aus dem gesamten Kreis RD-ECK. Danach ging es nach Neumünster, wo sich die restlichen beteiligten Kreise & Hilfsorganisationen angeschlossen haben. Im Konvoi fuhren wir dann über Nacht in unseren Bereitstellungsraum-Windhagen. Ankunft 25.07.2021 gegen 08:00 Uhr Unser Stützpunkt für die 700-800 Personen aus S.-H. befand sich in Windhagen – Rheinlad-Pfalz, dort hatten wir 2 zusammenhängende Turnhallen mit einem großen Außengelände für die Fahrzeuge, Verpflegung, Instandsetzung & Dekontamination in der unmittelbaren Nachbarschaft durch einen Autohof inkl. LKW-Waschstraße. Die anderen Bundesländer sind mehr oder weniger alle auf dem Nürburgring untergebracht, dort befanden sich bis zu 7000 Hilfskräfte aus allen Hilfsorganisationen.

 

25.07.2021 - Tag 2

Unser erster Auftrag lautete einen Keller mit ca. 80 m² Grundfläche von einem Wasser-Heizöl-Gemisch zu befreien. Das war mit unseren Mitteln aber nicht möglich und somit kein Eingreifen mit unseren Kräften erforderlich. Sehr viele Gebäude im Einsatzgebiet sind mit taktischen Markierungen und Zusatzinformationen beschriftet. Sowas kennen viele von uns nur aus der Ausbildung.

Nach ersten Erkundungen im Einsatzgebiet haben wir begonnen einen Keller einer Seniorenresidenz zu entleeren. Das war vor der Flut bestimmt mal schön aufgeräumt, sah jetzt aber schlimmer aus als in der wildesten Messi Wohnung. Unsere Kameraden trugen dazu Papier-Vollschutz-Anzüge. Es sah aus, als hätte die Spurensicherungstruppe der Kriminalpolizei einen Massenauftritt. Im Keller roch es zum Glück nur nach frischem Beton ähnlich wie in einem Neubau, das hatten wir durchaus schlimmer erwartet.

Die Arbeit unter dem Vollschutzanzug und mit Maske war trotzdem eine anstrengende Tätigkeit, die wir, mit genügend Getränken und anschließender Behelfs-Dekontamination vor Ort (ca. 60 Minuten) beendeten. Nach Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit und "Abendbrot" gegen 22:00 Uhr gab es noch ein Feierabendbier und eine anschließende Dusche. Die Nacht verlief erstaunlich ruhig, obwohl die 400 bis 500 Einsatzkräfte, auf engstem Raum, ihr Bestes gaben und ganze Wälder etlichen Sägen zum Opfer fielen. An Tag zwei hat man uns "ausschlafen" lassen, was einige sehr genossen.

Wir sind froh, dass die Hilfsorganisationen die Möglichkeit hatten in Prio 3 schon gegen Corona geimpft zu werden. Unsere Fahrzeugbesatzung ist somit einigermaßen gut vorbereitet, zumal hier, aufgrund der Anzahl an Hilfskräften, ein organisatorisches und coronakonformes Miteinander nur schwer einzuhalten ist. Nicht auszudenken, wenn diese Katastrophe 6-12 Monate früher passiert wäre. Zusätzlich gibt es für die komplette "Truppe" eine eigene Corona-Teststation auf dem Gelände der Unterkunft.

Auch gegen andere auftretende Krankheiten bei einer solchen Schadenslage in so einem Gebiet ist die Feuerwehr Gettorf durch Zusatzimpfungen (z.B. Hepatitis) gut geschützt. Die Einheimischen arbeiten hier zum Teil nur in Badehosen, was bei dem Wetter zwar bestimmt angenehmer, aber aufgrund der doch hygienisch bedenklichen Umgebung höchst gesundheitsgefährdend ist. Die DRK Bereitschaften berichten von Nägeln, welche durch die Flip-Flops in die Füße getreten wurden und auch Splitterverletzungen sind wegen z. B. nicht getragener Handschuhe an der Tagesordnung. Wörter wie Tetanus, Corona, etc. scheinen ebenso wie die damit verbundenen Gefahren nicht bekannt zu sein oder werden zum Teil auch einfach in Kauf genommen, weil die Not größer zu seinen scheint als das eigene Sicherheitsempfinden.

Wir indes benutzen Desinfektionsmittel wie „Wasser". Glücklicherweise herrscht davon hier auch kein Mangel. Das Tragen von persönlicher Schutzausrüstung ist für uns eine Selbstverständlichkeit, auch wenn das unsere Arbeit deutlich erschwert, aber Eigenschutz geht vor und wir wollen diesen Einsatz so gut wie möglich überstehen. Unser "Supermarkt" vor Ort heißt THW. Alles was benötigt wird, ist vorhanden. Sei es die vergessene Zahnbürste oder von Handfeger/Schaufel über Masken, bis hin zu Schutzanzügen, Handschuhen, Panzertape, Desinfektionsmittel, Schlafsäcken, Feldbetten usw.; hier bleibt kein Wunsch unerfüllt. Oft merkt man erst vor Ort was fehlt, was man hätte noch gebrauchen können und somit sind wir froh, diesen „Höker“ zu haben.

Heute am zweiten Tag wurde uns eine Räumeinheit des THW zugeteilt, inkl. Radlader und mehreren LKW. Das THW soll wohl heute etwas weiter oben auch "eingesetzt" werden, mehr wissen wir noch nicht. Wir erahnen aber, dass da etwas Größeres auf uns zukommen könnte. Wir wissen auch jetzt schon, dass es heute länger gehen wird. Die Verpflegung sollte aber kein Problem darstellen und wir würden auch noch nach Mitternacht warm verpflegt werden. Das lässt uns hoffen, dass es auch morgen wieder heißt, dass wir "ausschlafen" können.

Gestern haben wir gehört, dass von ehemals 72 Brücken in diesem Bereich angeblich 68 nicht mehr vorhanden oder befahrbar sind. Die Bundeswehr hat Behelfsbrücken gebaut. Mal sehen, ob unsere Fahrer auch in die Situation kommen diese mal zu benutzen. Der kürzeste Weg von A nach B ist in der Regel zwar eine Gerade, bedeutet aber hier vor Ort für uns immer enorme Umwege – gerade ist hier gar nichts mehr!

Die Stimmung ist nach wie vor hervorragend, auch wenn wir an Tag 2 noch viel mehr machen wollen würden, aber das ist durch die Führung noch nicht gewollt. Wir arbeiten daran. Vermutlich sind wir auch einfach noch zu fit, aber das kann sich hier bestimmt noch ändern. So, dass war ein erster „kurzer“ Bericht. Mal sehen, wann es mehr gibt. Wir wollen uns jetzt gleich erst einmal ordentlich die Hände (und vermutlich auch alles andere) schmutzig machen.

 

26.07.2021 - Tag 3

Aufgrund eines VU auf der Anfahrt, direkt vor unseren Augen, war unser 2. Zug aus dem Verband herausgelöst worden, um zusammen mit einem dazugehörigen KTW (Krankentransportwagen) und unserem  MZF (Mehrzweckfahrzeug auf VW-Bus-Basis) wurden die Verletzen betreut und wir als Feuerwehr übernahm die Verkehrssicherung (Autobahnanschluss) sowie den Brandschutz und die Eindämmung von Schmier- und Betriebsstoffen durch das Abstreuen mit Bindemittel.

Aufgrund der dadurch entstandenen Verzögerung war für uns dann im eigentlichen Katastrophengebiet die Übernahme von Aufgaben nicht mehr so ergiebig. Die Feuerwehr Gettorf hat dann zusammen mit der Feuerwehr Hohn und der Feuerwehr Karlsruhe über Nacht kurzerhand den Brandschutz für den südlichen Teil von Bad Neuenahr-Ahrweiler (Stadtgröße vergleichbar mit Eckernförde) übernommen. Bei der Einweisung durch die örtlichen Einsatzkräfte gab es auch einen Bericht aus deren Sicht zu den direkten Stunden vor und nach der "Welle". Die Einsatzkräfte vor Ort haben glücklicherweise keine Kräfte verloren, aber eine Geschichte von einem Feuerwehrmann auf einem Kreuz hat sich wirklich so zugetragen. Der Feuerwehrmann Friedhelm J. hatte sich 6 Stunden lang an ein Grabkreuz geklammert und so die Flutwelle überlebt.

Auch wenn man viele Situationen vor Ort mit einem "Klos im Hals" erwartet hatte, war dieses ein sehr emotionaler Bericht – Gänsehaut pur! Gut, dass das Ganze nahezu ohne körperliche Schäden von Statten ging. Was da in den Köpfen der Einsatzkräfte vorgeht und vor allem auch, was hängen geblieben sein mag, möchte man sich gar nicht vorstellen. Da wir die Nachtschicht sehr spontan übernommen hatten, fehlte es uns an Vielem, obwohl wir, aufgrund der Lage, fast alle zumindest Klamotten als Ersatz im Auto mit dabeihaben. Aber Handtücher, Duschgel, Zahnbürsten und -pasta fehlten und wurde von den örtlichen Kameraden spontan besorgt. Hier hilft, wirklich Jeder jedem.

Es ist wirklich großartig, Teil eines solchen "Vereins" zu sein.

Das Abendbrot konnten wir dann durch "Vitamin B" in der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung bekommen. Was für eine surreale Kombination. Das Essen, abends kurz vor 2200 war nicht wie bei Muttern, auch nicht wie bei Oma, sondern eher wie bei Ur-Oma, so gut. Uns wurde dann dort auch noch eine warme Dusche angeboten, welche wir aber ablehnten. In der Behelfsfeuerwache (die ursprüngliche Wache wurde durch die Flut so stark beschädigt, dass sie schon teilweise eingerissen werden musste) gab es allerdings keine Dusche. Wir handelten nach dem alten Wahlspruch der Bundeswehr Leben mit der Lage und es wurde kurzerhand auf der Straße mit Selter "geduscht". Das war zumindest etwas mehr als Katzenwäsche und notwendig bei den Temperaturen und der Umgebung. Außerdem sorgte es auch noch für den einen oder anderen Lacher in dieser sonst so trostlosen Gegend. Beim abendlichen Smalltalk mit den Kräften aus Karlsruhe kamen dann auch ganz banale Themen zur Sprache.

Uns Allen ist aufgefallen, dass es hier derzeit kaum Tiere zu geben scheint. Kein Vogel zwitschert, kein Hund mit Herrchen oder Frauchen auf den „Straßen“ unterwegs, und Nagetiere jeglicher Art haben wir zum Glück auch noch keine gesehen. Kurz vor der Nachtruhe gegen 0100 kam dann ein schmusebedürftiger "Stubentiger", scheinbar der letzte seiner Art, vorbei und strich uns um die Beine. Er wurde verwöhnt und dann gingen bei uns langsam die Lichter aus…

Mal sehen, wie es weiter geht.

 

27.07.2021 - Tag 4

Nach einer ruhigen Nachtschicht im Ortsteil Bachem, wo wir mit den Kräften aus Karlsruhe die Nacht verbracht hatten, um unter anderem den Brandschutz zu sichern, ging es früh morgens gleich wieder in den Tagesdienst. Im Kurpark sollte der Keller des Kurhotels geleert werden. Wir kannten das schon, "Messi-Sperrmüll" mit jeder Menge Schlamm. Diverse Möbel und andere haushaltsübliche Gegenstände lagen durcheinander im kompletten Keller verteilt herum.

Aufgrund der im Keller herrschenden Luftfeuchtigkeit, der Erkundung mit Vollschutz (Wathose und Pressluftatmer) inkl. Gaswarngerät, war relativ schnell klar, dass auch ohne Atemschutzgerät gearbeitet werden konnte. Eines war uns aber von vornherein klar, es würde sehr schmutzig werden. Die Behelfsdekontamination war hier mal wieder Pflicht. Wir haben dafür drei wasserführende Fahrzeuge mit je 1200 l Wasser benutzt und zwischendurch mit einem Pendelverkehr noch zwei zusätzliche Tankfüllungen vom THW besorgt.

Das waren in Summe über 6000 l Wasser, nur um grobe Reinigungsarbeiten durchzuführen. Die weißen Papieranzüge der "Spurensicherung" waren mal wieder Gold wert. Nicht auszudenken was man an Kleidungen gebraucht hätte, wenn man sich hier so einsauen würde, wie die ganzen freiwilligen Helfer. Bei denen scheint das Wort Dekontamination ein totales Fremdwort zu sein wie sich am nächsten Tag herausstellen sollte. Pünktlich zum Mittag, es kann aber auch Kaffeezeit gewesen sein, gab es ein Gewitter mit Starkregen. Gut, wurde die Suppe halt dünner. Im Hotel war es zwar trocken, aber doch irgendwie ekelig. Wir haben daher draußen gegessen. Der Regen hörte aber schnell wieder auf, und mit vielen Getränkepausen ging es weiter an die Arbeit.

Extra abgestellte "Wasserträger" achteten darauf, dass sich nicht Jeder vor der Aufnahme eines Getränks ausziehen musste und unterstützten bei der Flüssigkeitsaufnahme. Auch waren Sie bedacht, dass die Einsatzkräfte nicht, mit ihrer kontaminierten Kleidung oder dreckigen Händen, mit den Behältnissen in Berührung kamen. Notfalls wurde "gefüttert". Abends wurde dann noch lange am Heimatstandort richtig gereinigt und auch desinfiziert.

Wieder war ein Tag geschafft - zwei weitere sollten folgen.

 

28.07.2021 - Tag 5

Laut Planung sollen wir Heute und Morgen die Tagesbereitschaft im Ortsteil Bachem übernehmen. Einerseits ist dieses zwar nur eine Art Bereitschaft mit Warten auf einen Einsatz, aber wenn man bedenkt, dass die örtliche Feuerwehr seit 14 Tagen im Dauereinsatz ist und viele von Ihnen zusätzlich mit persönlichen Schicksalen zu kämpfen haben, sind das die wahren Helden hier, und auch Helden brauchen mal eine Pause. Die sehen das zwar anders, aber damit sind sie hier die Minderheit.

Zu Beginn der Wache haben wir bei Tageslicht eine Ortskontrollfahrt unternommen. Hier im Bereich, wo wir Dienst tun, sind unsere Kat-Züge derzeit nicht so präsent, da sind mehrheitlich die privaten Helfer unterwegs. Die großen Züge beschäftigen sich im Moment eher mit großen Gebäudekomplexen und "empfindliche" Einrichtungen der Verwaltung, wie z.B. dem Rathaus, etc. Bei der Kontrollfahrt ist man als Feuerwehr aber auch "Helfer und Ratgeber" für die privaten Helfer. Da diese aber die nicht richtig koordiniert und geführt werden, haben sie ab und zu Fragen und natürlich kann man die auch nicht einfach stehen lassen.

Ein Bewohner fragte z. B. ob von einer Gasflasche mit abgebrochenem Handrad, nach derzeit 14 Tagen, eine aktuelle Gefahr ausgeht, wenn diese, wie in diesem Fall, geborgen an einem sicheren Ort steht. Ein anderer Hauseigentümer hatte mit einer Tauchpumpe von einem Discounter Baumarkt keinen Erfolg dabei, den Schlamm aus seinem Keller zu beseitigen. Er hätte gehört, dass die Feuerwehr sowas hätte, aber mit Sicherheit das THW. Deren Pumpen könnten ganze Kleidungsstücke mitverarbeiten. Dieses haben wir ihm teilweise bestätigt, aber auch darauf hingewiesen, dass die Tauchpumpen der Feuerwehr nicht für Schlamm geeignet sind, und die Pumpen vom THW bräuchten wohl aufgrund der Größe (Hochleistungspumpen) eine Mindestwasserhöhe von 1 - 2 m. Diese würde Er wohl im Keller eher nicht zur Verfügung stellen wollen, zumal er jetzt nur noch wenige cm Wasserhöhe hatte.

Der nächste Fall ist ein Beispiel nicht nur für jede Einsatzkraft, sondern auch für jeden einigermaßen klardenkenden Menschen und zeigt auf, wo der Unterschied zwischen Hobby und "Profi" ist.

Ein freiwilliger Helfer fragte nach unserer Meinung zum Ergebnis seiner Erkundung. Wenn man hier hochoffiziell und in Kombination mit rotem Profi-Equipment hier rumfährt, schürt man auch eine gewisse Erwartungshaltung und darum haben wir uns seine Erkundung mal angeschaut. Die Helfer wollten einen Keller von Wasser und Schlamm befreien, hatten aber einen undefinierbaren Film auf der Wasseroberfläche entdeckt. Da sie keine Gefahrstoffe wie z. B. Öl. O. ä. in den Vorgarten kippen wollten, fragten sie nach unserer Meinung. Unser Gruppenführer ist mit dem eifrigen Jungen Mann (ca. 25) dann die drei freien, noch trockenen Stufen in den Keller gegangen. Er stapfte allerdings selbst hinter der Wasserlinie weiter, bis ihm das Wasser oben in die Gummistiefel lief. Unser Gruppenführer hat ihn dann erstmal gefragt, warum er denn gleich so tief einsteigt. Der Ort ist ca. zu 80% mit Gas zum Heizen versorgt. Die restlichen Haushalte heizen mit Öl, Pellets, Fern- oder Erdwärme. Nachdem der Mann dann mit nassen Füßen wieder auf der Treppe stand, "analysierten" wir gemeinsam.

Im Keller stand Wasser mit einem weiß-gräulichen Film an der Oberfläche. Durch das Hineinstapfen war Bewegung an der Wasseroberfläche und es war kein farbliches schillern, wie man es z.B. von Öl auf der Straße kennt, zu sehen. Dafür viele silberne Objekte. Nach seiner Auskunft handelt es sich hierbei eindeutig um Fische. Diese würden sich bereits seit ca. 14 Tagen nicht mehr bewegen, woraus er schloss, dass die Fische wohl tot sein müssten. Unser Gruppenführer hat ihm dann etwas von "Leichenwasser" erzählt, wobei er gleich an tote Menschen dachte. Dass so etwas auch von Tieren kommen kann, hatte er nicht gewusst. Wir haben ihm empfohlen mit etwas mehr Umsicht und mit offenen Augen durch das Gebiet zu laufen, und auch seine Mitstreiter aufzuklären. Auf dem Rückweg zum Fahrzeug erfuhren wir, dass er zumindest von Tetanus schon mal etwas gehört hätte. Zur Frage der Dekontamination bekam wir auch gleich eine Antwort - das würde man abends an der Tankstelle mit dem Hochdruckreiniger erledigen…

So etwas ist für uns ohne Worte, es sind hier wirklich drei völlig verschiedene Welten.

Wir sind uns einig, dass auch diese Helfer hier wichtig sind, aber das müsste definitiv besser organisiert und koordiniert werden, zumindest aber die Sache mit der Hygiene. Der Tag verlief ansonsten ruhig und ohne Einsätze, davon hat die Stadt auch eigentlich für Jahrzehnte genug.

Morgen ist dann der letzte Tag. Da werden wir dann nochmal den Brandschutz in Bachem sicherstellen.

 

29.07.2021 - Tag 6


Der letzte Tag vor Ort

Gott sei Dank? Leider?

Wir sind uns einig. Es liegt am Hobby. Das „Leider“ überwiegt - Feuerwehrleute und auch andere Ehrenamtler wollen helfen – das ist vermutlich ein Gendefekt. Wir freuen uns aber auch auf Zuhause. Unsere Familien und auch unsere Bürger, denen wir gerne und mit Leidenschaft 24/7 zur Seite stehen.

Die Bewohner von Bad Neuenahr-Ahrweiler werden aber nicht vergessen und im Stich gelassen. Frische Kräfte werden uns ablösen, denn in ganz Deutschland gibt es viele ähnliche Katastrophenschutzgruppen wie die Unsere. Eine große Familie mit Hang zu Autos mit blauen Lichtern.

Heute hatten wir wieder Bereitschaftsdienst in der Feuerwache Bachem, wieder mit der Truppe aus Thüringen, wie gestern. Auch Heute glücklicherweise kein Alarm - gut für die Bürger. Unsere Wache hat dafür die 1000l IBC-Tanks im Stadtgebiet mit Brauchwasser zum Abspülen von Material befüllt. Unsere Unterkunft wurde am Morgen schon nach Material durchsucht, welches nicht mehr gebraucht und benötigt wurde. So konnten wir uns bei den Mitarbeiterinnen der Kleiderkammer, die uns selbstlos am Montag mit den Handtüchern etc. ausgeholfen hatten, revanchieren. Augen wie Weihnachten
bei den ehrenamtlichen Helfern (meist die älteren Frauen). Auch hier wieder Geschichten von "Totalverlusten", frische Beerdigungen auf einem Friedhof, der durch die Geschichte mit dem Feuerwehrmann am Kreuz "weltberühmt" wurde, aber nicht mehr vorhanden ist.

Andere Teams aus S.-H. haben dort heute einen Bauzaun drum herum errichtet. Andere sollten mit Kettensägen für Ordnung sorgen. Ein Friedhof kann man aus pietätsgründen ja nicht mit schwerem Gerät, wie einem Radlader oder schlimmer noch mit einem Bergepanzer, bearbeiten. Das muss Handarbeit sein, auch wenn es länger dauert. Optisch sieht es da aus, wie ein verwüsteter Friedhof im Wattenmeer. Heute Morgen gab es den Bericht, dass ein Statiker beim Begutachten der Kapelle festgestellt haben soll, dass die Baupläne falsch sind - scheinbar ist die komplette Kapelle inkl. Fundament um 90° von der Flut gedreht worden. Die Kraft des Wassers schien schier unmenschlich, im Nachhinein fast verwunderlich, dass es trotz der Tragödie nicht viel mehr Tote gegeben hat. Auch wenn jeder Tote und auch jeder Schaden einer zu viel war.

Irgendwie hat es Ähnlichkeit mit Rungholt am 16.01.1362. Rungholt hatte keine Rettungskräfte, daher blieb es unter Schlamm begraben - Bad Neuenahr-Ahrweiler hat mehr Glück. Der Schlamm wird weichen, die Stadt erblühen. Wir sind uns sicher Ihr schafft das. Ihr seid eine starke Stadt, mit großartigen, freundlichen Menschen.

Wir haben uns trotz der Widrigkeiten sehr wohl gefühlt und wer weiß evtl. sieht man den einen oder anderen Helfer bei der Landesgartenschau 2023 wieder.

Wir wünschen es Euch, Ihr packt das!

 

30.07.2021 - Tag 7


Nach einer letzten Nacht auf Feldbetten ging es um 08:00 Uhr mit den kompletten Fahrzeugen und einem Reisebus wieder gen Heimat. Wir werden erwartet von den Ehepartnern, den Kindern, den Eltern, der Freundin / Freund, den Haustieren etc. in einer schöneren Umgebung. Und wenn uns so eine Katastrophe ereilen sollte, wissen wir das andere Bundesländer uns auch helfen werden.

Auf der Heimfahrt gab es dann auf der Autobahn oft von überholenden PKW einen „Daumen hoch“, an Raststätten wurde man von Bürgern gelobt und je näher man nach Hause kam desto mehr Autobahnbrücken waren besetzt von Feuerwehren, Mitbürgern & Plakaten, die die Kameraden in der Heimat begrüßt haben. Dieses beschert einem dann ständig Gänsehaut, obwohl wir einfach nur unseren „Job“ gemacht haben. Aber es ist schön das neben dem ganzen „Gemecker“ in den sozialen Medien unsere Arbeit sehr wohl gewürdigt wird. Gegen 19:30 Uhr wurde der gesamte Verband in Büdelsdorf in den „Feierabend“ entlassen. Nachdem die Fahrzeuge in dem heimischen Gerätehaus ca. um 21:00 Uhr wieder komplett von Wäsche, Feldbetten, Schlafsäcken etc. befreit wurden, haben wir nach 7 Tagen jetzt endlich „Feierabend“ und freuen uns mal etwas auszuschlafen. Mit Chance schaffen wir in einer Nacht mehr als in der kompletten letzten Woche. Wir wissen was wir können, was wir getan haben, und wir würden es immer wieder tun.

Wir danken unseren Familien, die uns zu so einem schweren Einsatz fortgelassen haben. Unseren Arbeitgebern, die durch Sonderurlaub diese Einsätze erst wirklich möglich machen. Auch bei der Politik müssen wir uns bedanken, denn ohne die professionelle Technik, die von Steuergeldern finanziert wird, könnten wir unseren „Job“ nicht machen.

Nicht vergessen wollen wir auch alle Unterstützer ( z.B. passive Mitglieder ) und natürlich auch der „Fraktion Daumen hoch“ gilt unser herzliches Dankeschön. Jetzt sitzen wir wieder Zuhause, und sind schon wieder mit einem Ohr wachsam den nächsten Alarm zu hören, um irgendwo Mensch & Tier in Not behilflich zu sein. Und wie man gesehen hat, ist das nicht immer nur „Nachbarschaftshilfe“, sondern kann auch sehr weit weg von Zuhause sein.

 

Quelle: Jannichsen/FF Gettorf

 

Berichte vom Schleswig-Holstein-Magazin

Hochwassergebiete: Einsatzkräfte aus SH sind zurück

Hochwasserhilfe: Kräfte aus Schleswig-Holstein kehren zurück

 

Bericht der Bild-Zeitung über den Feuerwehrmann am Grabkreuz

FEUERWEHRMANN SCHILDERT, WIE ER DIE TODESFLUT AUF EINEM GRABKREUZ ÜBERLEBTE

Diese Geschichte ist uns genauso etwas detailgenauer von der Feuerwehr Bad-Neuenahr-Ahrweiler vor Ort auch erzählt worden. Man denkt immer die Bildzeitung schmückt alle Geschichten aus, aber diese hat sich genau so zugetragen. - siehe Bericht 26.07.2021 - Tag 3